Peter Lammerhuber
Das Internet ist tot
Viele Gespräche, Vorträge beginne ich zur Zeit mit dem Satz „Das Internet ist tot.“ Dies ist natürlich eine bewusste Provokation. Das Internet als technische Plattform ist natürlich nicht tot, aber der Gedanke das Internet sei ein eigenes Medium. Diesen Gedanken will ich mit diesem Statement aus unseren Köpfen löschen. Ich glaube es ist einfach Zeit, umzudenken und eine digitale Verbreitungsform von Inhalten aus seinem Elfenbeinturm und Spezialistentum herauszulösen.
Wir müssen endlich akzeptieren, dass wir in einer Welt leben, in der einfach alles digitalisiert wird. Auch wenn wir über die Mediengattung Fernsehen reden und uns vom analogen Fernsehsignal, vom analogen Satellitensignal, zur digitalen Terrestrik und zum Digitalsatellit entwickelt haben , so ist es nur mehr eine Frage der Zeit — und in vielen Bereichen ist es ja bereits schon Fakt – dass das „Fernsehsignal“ einfach auch über das digitale Signal des Internets gestreamt wird.
Mit diesem Beispiel will ich nur aufzeigen, dass Medienhäuser immer noch in der Sprache ihrer Herkunft behaftet sind und dabei ganz vergessen, dass es vollkommen egal ist, ob der Content, den sie produzieren, über ein Funksignal auf Papier, oder über ein digitales Signal per WLAN oder Kabel , verbreitet wird.
Die einzige Problematik, die sich dabei ergibt ist, dass hinter diesem einen Schirm über den der Konsument empfängt einfach alles empfangbar ist. Klarerweise ist die Relevanz des Angebots für den Konsumenten entscheidend, ob er es nutzt oder nicht.
Ist die Relevanz des Inhaltes entsprechend hoch, weil eigenständig, unverwechselbar und begehrlich, so bin ich, und das ist meine tiefste innere Überzeugung, bereit dafür zu bezahlen. Und der Konsument muss bereit sein, dafür zu bezahlen. Die digitale Verbreitung von Content ist kein Selbstbedienungsladen für Konsumenten!
Das Gratislexikon Wikipedia ist für uns alle wirklich praktisch und nützlich. Es hat die großen Lexikonserien abgelöst. Momentan wirbt Wikipedia um Spendenaufrufe, die Werbefinanzierung ist so und so marginal. Gäbe es Wikipedia nur als Paid-Content, ich wäre bereit dafür zu zahlen. Wahrscheinlich aber nur für die tatsächliche Nutzung, nicht als Abo, nicht als Jahresbeitrag, nicht um 100 Euro pro Jahr, aber um 20 — 30 Cent pro Abfrage jederzeit!
Entscheidend dafür ist ein einfaches Anmeldesystem, das nicht intimste Daten von mir verlangt, um mich wieder zu vermarkten und ein einfaches, sicheres Bezahlsystem.
Für die Live-Übertragung von Golfevents, wie zum Beispiel die PGA Tour, bin ich heute schon bereit mit meinem Sky Abo zu bezahlen. Sollte Sky einmal die Rechte dafür nicht mehr kaufen wollen, dann akzeptiere ich auch jederzeit einen Streaming Dienst online, auch im Abo, um fiktive 15 Euro im Monat.
Diese beiden Beispiele sollen zeigen, dass es immer nur um die Relevanz geht. Das Problem der Verbreitung über digitale Kanäle ist schlicht und ergreifend die Vielfalt und, dass es wenig Content von wirklicher Relevanz, sondern leider immer nur „more of the same“ gibt. Das bloße Verbreiten von Nachrichten, ohne eine eigenständige Recherchearbeit dahinter zu legen, ist leider kein wettbewerbsfähiges Angebot. Das war es in den bisherigen Verbreitungsformen auch nicht, nur ist es durch unser träges Verhalten, Dinge zu verändern, nie besonders aufgefallen.
Medienhäuser müssen sich verändern um in einer digitalen Welt zu bestehen, um in einer digitalen Welt relevant zu sein. Dann ist der Konsument sehr wohl bereit, dafür auch seinen Beitrag zu leisten. Und er wird es lernen diesen leisten zu müssen. Auch die Medien müssen lernen sich zu verändern, sonst werden sie durch die Digitalisierung der Welt verändert.
Zum Autor: Peter Lammerhuber gründete 1987 die Medienagenur MediaCom und wurde 2006 zum CEO der GroupM Austria berufen.