Johanna Grüblbauer / Jan Krone
Ökonomische Herausforderungen österreichischer Tageszeitungsverlage durch Medienkonvergenz
Johanna Grüblbauer und Jan Krone (Österreichisches Institut für Medienwirtschaft am Department Medienwirtschaft der FH St. Pölten) haben im Jahr 2012 eine Studie zur Konvergenz österreichischer Zeitungsverlage durchgeführt. Hier werden die zentralen Erkenntnisse beschrieben.
Obgleich Verlage bereits seit über 400 Jahren professionell und kontinuierlich Zeitungen herstellen und ein dementsprechender Umgang im Feld der Massenkommunikation vorauszusetzen sein sollte, taten (und tun) sich die Unternehmen schwer, die veränderten Gesetzmäßigkeiten im digitalen, hybridisierten Kommunikationsraum zeitnah zu antizipieren. Redaktionellen Inhalt von dem analogen Trägermedium Papier abgelöst zu distribuieren bedeutet auch nach mehr als fünfzehn Jahren seit der Einführung des ersten Online-Portals einer österreichischen Tageszeitung eine Herausforderung. Gleichzeitig ermöglicht die Digitalisierung den Markteintritt neuer, bislang nicht als Wettbewerber aufgetretene Inter- bzw. Hypermediäre (Contentbroker, ‑aggregatoren) und Content-Produzenten, da besonders finanzielle Eintrittsbarrieren – wie beispielsweise Druck und analoger Vertrieb – abgesenkt werden. Zudem begünstigt die medial-kommunikative Universalität des Internet auf Seiten der Mediennutzer eine hohe Wechselbereitschaft der Anbieter bzw. Parallelnutzung diverser Mediengattungen und Branchen zu Lasten der Markenbindung an einen Titel.[i]
Mit der Fokussierung auf eine Werbefinanzierung in Form der bekannten Reichweiten-Vermarktung auf der Plattform Internet, die aus der traditionellen Mischfinanzierung der Massenmedien aus Werbung/Rubriken und Vertrieb/Verkauf resultiert, setzen sich viele Tageszeitungsverlage nicht unerheblichen Risiken aus. Die konservativen, auf überlieferte Vermarktungserfahrungen bauenden Verlage bleiben damit nicht nur vom umsatzstarken Geschäft der gedruckten Zeitung (Leser/Anzeigenkunde) abhängig. Sie müssen zudem konjunkturelle Schwankungen auf einem Publikationskanal ausgleichen und die Werbekunden zu binden suchen, was, diametral zum Leservertriebsmarkt (mit Ausnahme von reinen/überwiegenden Gratistiteln), über deutliche Preisnachlässe geschieht. Gleichzeitig sind Werbetreibende nicht mehr überwiegend auf publizistisch tätige Medienunternehmen angewiesen um ihre Zielgruppen zu erreichen und können diese etwa durch eigene Internetpräsenzen direkt adressieren. Das Verhältnis von Angebot und Nachfrage für Werberaum hat sich von der Knappheit hin zur massenhaften Verfügbarkeit verschoben und hat damit eine Knappheit von angebotsspezifischer Medienzeit den Weg geebnet.
Versuche, nach der eingeübten massenmedialen Ordnung auch im „neuen“ Segment Internet klassische Medien errichten zu können, verstärken Krisentendenzen. Die Tageszeitungsverlage hoffen, auch hier auf Basis der gelernten Mechanismen, ihre Dominanz entfalten zu können. Die Bereitschaft und das Vermögen in Zeiten des Medienwandels Mediennutzern und Anzeigenkunden kombinierte Produkte in all ihrer Komplexität anzubieten, erklären und monetarisieren zu können, stellt die größte Herausforderung dar.[ii]
Bislang haben diese Entwicklungen zwar (noch) nicht in Österreich, aber doch in verwandten Märkten wie Deutschland dazu geführt, das Geschäftsmodell Zeitungsverlag schleichend in sich zusammenbrechen zu lassen.[iii] Die Entwicklung tragfähiger, konvergenter Geschäftsmodelle ist die Herausforderung für das Management der Verlagsindustrie. Identifiziert man das Schaffen, Bündeln und Verteilen von Content als Kernkompetenz der Verlage, so lassen sich – traditionell wie auch in der digitalisierten Medienlandschaft – Erfolge überwiegend in Bereichen erkennen, die das Kerngeschäft ergänzen. Dies geschieht, unterschieden nach markennahen (z. B. Publikationsauskopplungen zu Einzelangeboten oder Corporate-Publishing) und markenfernen Produkten (z. B. Immobilien- oder Gebrauchtgüterportalen). Einen Vorteil aus der Kernkompetenz „redaktioneller Inhalt“ durch verwandte, diversifizierte Verlagsgeschäftsfelder zu ziehen setzt allerdings die Bereitschaft des Managements voraus, bisher als Nebengeschäfte angesehene Erlösformen zur Aufrechterhaltung von publizistischen Angeboten einzusetzen und auszubauen. Der Kern des Geschäftsmodells von Medienunternehmen und deren Marken ist die Zielgruppengenerierung, mit der der Vertrieb anderer Produkte gekoppelt werden kann bzw. muss.
Evaluierungsergebnisse der Strategien österreichischer Tageszeitungsverlage zur Bewältigung ökonomischen Herausforderungen durch Medienkonvergenz
Die Untersuchung des österreichischen Zeitungsmarktes [Ai1] weist eine Reihe von charakteristischen Ergebnissen aus. Insgesamt kann in Österreich auch im Jahr 2012 von einer stabilen Auflage der gedruckten Zeitungen berichtet werden, die überwiegend durch den Abonnement-Vertrieb erreicht wird. Dem anbei steht zudem eine starke rezipientenseitige Nachfrage nach publizistischen Inhalten über die Vertriebskanäle „Browser“ und, etwas weniger stark, „Applikationen“ für die quasi-mobile Nutzung, einer im Vergleich zu bspw. Deutschland unterdurchschnittlichen Zahlungsbereitschaft werbetreibender Unternehmen gegenüber. Im applikations-gestützten Nachfragemarkt werden die Verlagsangebote zudem in unterschiedlicher Betriebssystem-Konfiguration parallel vertrieben.[iv]
Im Zuge einer Evaluierung der Konvergenzleistungen von Tageszeitungsverlagen mit nationaler Verbreitung wurden sechs Schwerpunkte fokussiert, anhand derer sich folgende Ergebnisse am Beispiel nationaler, österreichischer Tageszeitungen zeigen:[v]
A Wirtschaftliche Lage national verbreiteter Tageszeitungen
Bei den analysierten gedruckten Tageszeitungen sind Werbung und Anzeigen die Haupterlösquelle; Erlöse aus der verkauften Auflage tragen maßgeblich zum Umsatz bei. National verbreitete Tageszeitungen sind nach wie vor profitabel; der operative Gewinn liegt für das Jahr 2012 bei allen erhobenen Unternehmen bei über 10%. Dabei gestaltet sich die Entwicklung der wirtschaftlichen Ergebnisse über die letzten fünf Jahre (2006 – 2010) wie bzw. sogar besser als erwartet, was laut Verlagsauskunft insbesondere auf die Verkaufsteams und auf neue Produkte zurückzuführen ist.
B Konvergenzleistung in national verbreiteten Tageszeitungen
Die Sparte Online wird von den selektierten Medienunternehmen generell über eine breite Auswahl von Computer-Betriebssystemen und Auslieferungsformen bedient.[vi] Tageszeitungsverlage werden also dem Medienwandel über die Nutzung sämtlicher IP-gestützter Vertriebswege gerecht. Auch bisher durch den Vertriebskanal voneinander getrennte Mediengattungen wie Radio oder TV gewinnen bei der Online-Präsenz national verbreiteten Tageszeitungen an Bedeutung. Videofeeds ergänzen das Szenario.
Online-Units werden zum Zeitpunkt der Befragung bei national verbreiteten Tageszeitungen als eigenständige Bereiche geführt. Dabei ist die Intention für die Online-Präsenz einerseits selbstverständlich ertragsorientiert, aber andererseits auch darin zu sehen, dass der Online-Auftritt von Zeitungsmarken vom Publikum erwartet wird. Die Dynamik der Entwicklung wird folglich überwiegend durch die Nachfrage gesteuert.
Die Einführung von individualisierten Nachrichten (targeted/personalized news) befindet sich im Entwicklungsstadium. Hinsichtlich der Synergien mit etablierten Vermarktungsoptionen wurden sowohl die Chancen erkannt (sollen genutzt werden), als auch Gefahren (Vermeidung Kanäle unternehmensintern zu kannibalisieren) identifiziert.
Grundsätzlich lässt sich festhalten, dass sich der Online-Bereich national verbreiteter Tageszeitungen sich über alle operativen Bereiche (Umsatz, Leserschaft, Content) in den letzten fünf Jahren besser als erwartet entwickelte. Gründe dafür sind unternehmensintern (Profitorientierung der Online-Unit) sowie unternehmensextern (insbesondere Entwicklung der Mobile Devices) zu finden.
C Investitionen national verbreiteter Tageszeitungen
Die Mittelfreigabe für den Online-Bereich national verbreiteter Tageszeitungen entwickelte sich in den letzten Jahren nach Plan und sollen künftig in selber Höhe beibehalten bzw. ausgebaut werden. Die Untersuchungsobjekte erscheinen hier vorsichtig investitionsbereit.
D Operative Kosten national verbreiteter Tageszeitungen
Online-Kostentreiber sind vor allem Personal- und Technikkosten sowie, abgeschwächt, dritte Positionen ohne genauere Definition. Die unternehmensinterne Organisation stellt sich nach der Evaluation unterschiedlich dar. Dies liegt vor allem daran, dass die Angestelltenanzahl der Online-Auftritte der ausgewählten national verbreiteten Zeitungen (Technik + Content) mit mehr als 100 Personen bzw. knapp über 50 Personen divergent erscheinen.
E Einnahmen national verbreiteter Tageszeitungen
Die Einnahmen der Online-Units werden positiv dargelegt (tw. größer als 20%[vii], gemessen am Gesamtumsatz) und werden, wie in der gedruckten Ausgabe, vor allem durch Werbung und Kleinanzeigen generiert. Als gut verwertbar lassen sich Artikel (vor Video und Audio) des Webauftritts sowie die Mobil-Versionen identifizieren.
Während sich die Online-Units über die letzten Jahre wie erwartet entwickelten, waren Verlage von der Dynamik im Mobile Bereich besonders positiv überrascht. Auch die Prognose für die nächsten Jahre fällt zuversichtlich aus und man ist sich einig, dass die Erlöse gesteigert werden können, nicht zuletzt aufgrund des Werbepreisgefüges in Österreich. Zunehmend zuversichtlich äußern sich die Vertreter der Untersuchungsobjekte hinsichtlich personalisierter Werbemöglichkeiten und der Zahlungsbereitschaft auf Leserseite für quasi-mobile, applikationsgetriebene Angebote.
F Gewinn national verbreiteter Tageszeitungen
Hinsichtlich ihres Profits halten sich der Vertreter national verbreiteter Tageszeitungen erwartungsgemäß bedeckt bzw. geben eine zufriedenstellende Lage an, die eine bessere Performance der Online-Units verglichen mit dem gedruckten Produkt ausweist.
Über die weitere Entwicklung besteht eine divergente Stimmungslage: Verlage geben einerseits an, den Plafond vorerst erreicht zu haben und erwarten für die nächsten Jahre eine Stagnation, andererseits gibt es die Erwartung, dass Profite noch steigen werden.
Fazit
Zusammenfassend stellt sich die Konvergenzleistungsfähigkeit des österreichischen Zeitungsmarktes für national verbreitete Produkte in dieser Untersuchung (ausgewählter Titel) in seiner Prognose als zuversichtlich dar.
Hingegen ist der Ansatz aus der Telekommunikationsbranche, die Kernerlöse aus dem reinen Zugang (oder Flat, Dauer, Volumen etc.) zu erwirtschaften (Zahlungsbereitschaft der Leser) noch nicht vollständig verinnerlicht. Die Befürchtung, Reichweite als Basis für eine Werbevermarktung zu verlieren, liegt beständig als drohende Konsequenz über den Strategiemodellen. Die Herausforderung, gerade für Verlagsaktivitäten im Medienwandel, ist folglich eine Managementaufgabe.
Der internationale Vergleich macht deutlich: Tageszeitungsverlage sind generell (unabhängig von der Größe des Tageszeitungsverlages und der regionalen Verbreitung ihrer Produkte) immer noch stark abhängig von der Querfinanzierung konvergenter Angebote durch traditionelle Printprodukte, auch wenn teilweise Online-Geschäftsfelder Gewinn erwirtschaften.
Autoreninfo
Johanna Grüblbauer und Jan Krone (Österreichisches Institut für Medienwirtschaft am Department Medienwirtschaft der FH St. Pölten) haben im Jahr 2012 eine Studie zur Konvergenz österreichischer Zeitungsverlage durchgeführt, für die sechs Vertreter (Management) österreichischer Tageszeitungsverlage (nationale‑, regionale- und Bundesland-Tageszeitungen sowie Online-Only-Newsportalen) befragt zurwirtschaftlichen Lage der Tageszeitungen, zum Status Quo der titelbezogenen Medienkonvergenz, sowie zu Fragen zu Investitionen, operativen Kosten, Einnahmen und Gewinn befragt wurden. Die Forschungsergebnisse erscheinen 2014 im Springer Verlag VS unter der Herausgeberschaft von Mike Friedrichsen (Hochschule der Medien, Stuttgart), Hannu Nieminen (Universität Helsinki), Elena Vartanova (Lomonosow Universität Moskau) & Jan Krone.
Mag. (FH) Johanna Grüblbauer ist stellvertretende Leiterin des Österreichischen Instituts für Medienwirtschaft und Dozentin am Department Medienwirtschaft der Fachhochschule St. Pölten. Grüblbauer hat Medienmanagement in St. Pölten und Madrid studiert, war Manager für Markt- und Medienforschung der Mediaagentur „Media1“ und ist Postgraduate der Medien- und Kommunikationswissenschaft an der Universität Wien. Aktuelle Forschungsprojekte sind: Digital Business & engagierte Nutzer als Herausforderung für Content-Management, Social Media Monitoring als Instrument des strategischen Issues Management; Convergence and Business Models – Innovationen in Tageszeitungen; Hidden Champions – Management von Wachstumsunternehmen in Medien und anderen Branchen.
Kontakt: JGrueblbauer@nullfhstp.ac.at
Publikationen: http://www.fhstp.ac.at/studienangebot/bachelor/mm/studiengangsteam/grueblbauer-johanna
Prof. (FH) Dr. phil. Jan Krone M.A. studierte Publizistik- und Kommunikationswissenschaft, Jura, Neuere Deutsche Literatur sowie Film- und Theaterwissenschaft an der Freien Universität Berlin und promovierte am dortigen Fachbereich Politik- und Sozialwissenschaften 2005. Thematische Schwerpunkte seiner Arbeit sind die Mediennutzung sowie medienökonomische und ‑politische Implikationen von Individual- und Massenmedien im Medienwandel. Seit 2006 Leiter des Moduls Medien im Department Medienwirtschaft sowie Projektleiter am Österreichischen Institut für Medienwirtschaft an der Fachhochschule St. Pölten GmbH, Österreich. Seit 2012 stellv. Vorsitzender des neu gegründeten, gemeinnützigen Vereins Carta.info, Berlin.
Kontakt: jan.krone@nullfhstp.ac.at
Publikationen: http://www.fhstp.ac.at/studienangebot/bachelor/mm/studiengangsteam/krone-jan
[i] Vgl. Simeon, Thomas/Zerdick, Axel (2003): Tageszeitungen zwischen Medienkonzentration und Internet-Ökonomie. In: Klumpp, Dieter/ Kubicek, Herbert/ Roßnagel, Alexander (Hg.): Next Generation Information Society? Notwendigkeit einer Neuorientierung. Mössingen-Thlaheim, S. 198 – 211. S. 199-
[ii] Vgl. Krone, Jan (2011): Verlage zwischen Web 2.0, Vermarktung und „Krise“. In: Ders. (Hg.): Medienwandel kompakt 2008 – 2011. Schlaglichter der Veränderung in Medienökonomie, ‑politik, ‑recht und Journalismus – ausgewählte Netzveröffentlichungen. Baden-Baden, S. 170 – 175. S. 173.
[iii] Vgl. Krone, Jan (2011): Werbung im Internet: Tausenderpreise als Relikt der klassischen Medien. In: Ders. (Hg.): Medienwandel kompakt 2008 – 2011. Schlaglichter der Veränderung in Medienökonomie, ‑politik, ‑recht und Journalismus – ausgewählte Netzveröffentlichungen. Baden-Baden, S. 186 – 189. S. 201.
[iv] Strukturell ist der österreichische Zeitungsmarkt vor allem durch eine hohe Anzahl (zumeist kostenloser) wöchentlich erscheinender Zeitungen im lokalen und regionalen Raum gekennzeichnet. Sowie durch zwei östliche Bundesländer, die über keine eigenständigen Regional- oder Lokaltageszeitungen verfügen. Durch die späte Etablierung eines spezifischen Medienkonzentrationsrechts im Kartellgesetz weist Österreich zudem einen hohen Pressekonzentrationsgrad auf, der vertikale und horizontale Verflechtungen im massenmedialen Sektor einschließt. Die Kapitalstruktur erstreckt sich dabei auch auf medienferne Unternehmen aus dem Banken- und konfessionellen Sektor. Die Republik Österreich gewährt dem Pressemediensektor (wie anderen Mediensektoren auch) über Gesetze direkte Presseförderungen. Dabei befindet sich die Förderung von Online-Medien zwar bereits in der medienpolitischen Diskussion, ist aber zum jetzigen Zeitpunkt rechtlich nicht explizit verankert.
[v] Grundlage der Gesamtstudie bilden zwei nationale, zwei regionale und zwei Bundesländer-Tageszeitungen sowie zwei Online-Only Nachrichten-Plattformen in Österreich, Deutschland, Finnland und Russland. In den selektierten Medienunternehmen wurden im Jahr 2012, zur internationalen Vergleichbarkeit, standardisierte Experteninterviews auf Geschäftsführungsebene durchgeführt.
[vi] Web- sowie mobile Versionen (für unterschiedliche Endgeräte), eigene Tablet-optimierte Darstellungen für einen schnellen Informationsüberblick sowie ePaper, Newsletter, Präsenzen auf Soziale Netzwerken (vorwiegend Facebook, aber auch Twitter)
[vii] Größer 20% stellte die höchste Kategorie des Fragebogens dar.